Südkorea investiert mit nationaler Zuchtfleischanlage in nachhaltige Ernährung
1. Was waren aus Ihrer Sicht die strategischen Überlegungen hinter der Entscheidung, in Südkorea ein nationales Zentrum für kultiviertes Fleisch aufzubauen?
Die Gründung des Forschungszentrums ist eine direkte Antwort auf die innerhalb der nächsten drei Jahre. Angesichts dieses Zeithorizonts braucht es jetzt groß angelegte Pilotprojekte, die Forschungsergebnisse in skalierbare Produktionsprozesse überführen.
Die südkoreanische Regierung hat diesen Bedarf frühzeitig erkannt: In einer ersten Phase lag der Schwerpunkt auf der Identifizierung und Förderung vielversprechender Schlüsseltechnologien und Start-ups. In den letzten fünf Jahren wurden dann ressortübergreifend die regulatorischen Rahmenbedingungen konkretisiert und gezielt industriepolitische Instrumente zur Unterstützung des Sektors weiterentwickelt.
Ein wichtiger Meilenstein in diesem Prozess war die Ausweisung sogenannter regulierungsfreier Zonen, in denen Forschung und Entwicklung unter erleichterten Bedingungen vorangetrieben werden konnten. Der gewählte Standort Uiseong gehört zu diesen Zonen – was bedeutet, dass hier nicht nur technologischer Fortschritt gefördert, sondern auch wichtige Impulse für die Ausgestaltung eines zukünftigen Rechtsrahmens auf nationaler Ebene gesetzt werden. Nach einer umfassenden Bewertung aller relevanten Faktoren – von der regulatorischen Reife über die infrastrukturelle Machbarkeit bis hin zum Marktpotenzial – kam die Regierung zu dem Schluss, dass jetzt der ideale Zeitpunkt ist, um diese strategische Initiative zu starten.
2. Was waren die ausschlaggebenden Gründe für die Wahl von Uiseong als Standort – und welche Impulse erhoffen Sie sich für die Region?
Uiseong erlebt derzeit eine spürbare wirtschaftliche Belebung und rückt zunehmend ins Blickfeld von Unternehmen und Investoren. Dank seiner günstigen Voraussetzungen für den Aufbau innovativer Infrastrukturen im Bereich kultivierter Lebensmittel ist der Landkreis ideal positioniert, um sich perspektivisch als strategischer Katalysator zu etablieren – gerade auch für die Weitergestaltung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen für den Sektor.
3. Das Zentrum soll ja den gesamten Innovationsprozess unterstützen – von der Produktentwicklung bis hin zur Zulassung. Wie genau werden Sie Unternehmen dabei helfen, diese Phasen zu durchlaufen?

Unser Ziel ist es, Unternehmen durch einen integrierten Unterstützungsrahmen den Einstieg in die Vermarktung deutlich zu erleichtern. Das Zentrum wurde so konzipiert, dass es strukturierte Hilfestellung entlang des gesamten Innovationsprozesses bietet – von der Grundlagenforschung über die Prototypenentwicklung bis hin zur Marktzulassung. Bereits jetzt setzen wir gezielte Programme um, die auf die jeweiligen Entwicklungsphasen zugeschnitten sind – von der finanziellen Förderung früher Studien über die Prototypenentwicklung bis hin zur Unterstützung bei sicherheitsrelevanten Nachweisen. Da toxikologische Prüfungen in Korea gesetzlich vorgeschrieben sind, kooperieren wir eng mit den für die Lebensmittelsicherheit zuständigen Prüfstellen, beraten Unternehmen beim Studiendesign und übernehmen die anfallenden Prüfkosten.
Zudem haben wir eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe eingerichtet, in der Vertreter des Ministeriums für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit, Unternehmen der Branche sowie spezialisierte Kanzleien und Fachleute in Regulierungsfragen gemeinsam an maßgeschneiderten regulatorischen Strategien arbeiten – abgestimmt auf das jeweilige Produktprofil und die Markteintrittsstrategie der Unternehmen.
Sobald das Zentrum vollständig betriebsbereit ist, werden wir unsere Leistungen um Pilotversuche mit großvolumigen Bioreaktoren sowie gezielte Schulungsprogramme für technisches Fachpersonal erweitern und so die Vermarktung und industrielle Skalierung gezielt vorantreiben.
4. Auf welche technologischen oder wissenschaftlichen Bereiche wird sich das Food Tech Research Support Center vorrangig konzentrieren?
Der Schwerpunkt wird auf der industriellen Biotechnologie und der Produktentwicklung liegen. Das Zentrum wird über Bioreaktoren mit einem Fassungsvermögen von bis zu 1.000 Litern verfügen und damit die Forschung zur Skalierung von Produktionsprozessen ermöglichen. Parallel dazu werden die Prototypenentwicklung für strukturiertes Fleisch und die umfassende Analyse von Zusammensetzung, Geschmack und Textur der entwickelten Produkte unterstützt.
Ich glaube, ich erwähnte bereits, dass die Fertigstellung des Food Tech Research Support Center ist innerhalb der nächsten drei Jahre geplant. Bereits in Betrieb ist jedoch das ebenfalls in Uiseong angesiedelte Cell Culture Research Support Center, das sich weiterhin ganz auf die Grundlagenforschung konzentrieren wird.
Hier werden Projekte zur Entwicklung von Zelllinien, zur Zellkultivierung und zur Erforschung verschiedener biobasierter Materialien durchgeführt. Das Center verfügt über eine eigene Zellbank und spezialisierte Zellkulturlabors als Ausgangspunkt für die angewandte Grundlagenforschung im Bereich der zellulären Landwirtschaft.
5. Welche Rolle kommt KI und Robotik innerhalb der Forschung und Entwicklung von Laborfleisch zu?
KI-gestützte in silico-Methoden sind ein zentraler Bestandteil des FuE-Prozesses für kultiviertes Fleisch – insbesondere bei der Identifikation geeigneter Materialien für die Zellkultivierung. Im Forschungsinstitut in Uiseong kommen KI-basierte Verfahren unter anderem für das effiziente Screening, die Vorhersage von Wachstumsfaktoren sowie die Entwicklung funktioneller Zusatzstoffe für Zellkulturmedien zum Einsatz. Sie leisten dort beispielsweise einen entscheidenden Beitrag zur beschleunigten Identifizierung von Schlüsselkomponenten für optimiertes Zellwachstum.
Das neue Food Tech Research Support Center wird über eine leistungsfähige Recheninfrastruktur für eine systematische digitale Forschung verfügen. Zudem sind gezielte Schulungsprogramme für Wissenschaftler:innen und Industriepartner geplant, um den Einsatz von KI innerhalb der Entwicklung kultivierter Lebensmittel weiter zu professionalisieren.
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Von Algen- und Insektenproteinen über pilzbasierte Proteine bis hin zu zellkultiviertem Fleisch – mit Anuga Alternatives betont die Anuga ihre Verpflichtung zu einer innovativen und nachhaltigen Lebensmittelproduktion im Einklang mit dem Leitthema ‚Sustainable Growth'.
6. Elf Unternehmen haben bereits Interesse an einer Beteiligung bekundet. Handelt es sich dabei vor allem um Start-ups, universitäre Ausgründungen oder etablierte Unternehmen?
Den Großteil dieser Unternehmen machen Start-ups im Bereich In-vitro-Fleisch aus, aber es sind auch Firmen aus angrenzenden Bereichen der Werkstoffforschung und -technik beteiligt. Darunter sind eine Reihe akademischer Ausgründungen oder forschungsnaher Unternehmen mit enger Anbindung an das Cell Culture Research Institute der Yeungnam University. Die Unversität zählt zu den führenden Hochschulen Südkoreas und hat sich mit ihrem Institut für Zellkulturforschung einen Namen als Kompetenzzentrum im Bereich der zellulären Landwirtschaft gemacht.
Das neue Food Tech Research Support Center wird auch als ausgelagerter Forschungscampus der Yeungnam University fungieren, um so akademische Forschung und industrielle Anwendung noch enger zu verzahnen.
Um die langfristige Ansiedlung der Unternehmen in Uiseong zu fördern und den Weg zur Marktreife zu unterstützen, stellen wir umfassende Serviceleistungen bereit - von der Hilfe bei der Wohnungssuche bis hin zu Beratungsangeboten in Visa- und administrativen Fragen.
7. Bestehen bereits internationale Partnerschaften oder Pläne zur Zusammenarbeit mit globalen Organisationen?

Im Gespräch mit uns: Kim Eun-Mi, Director am Medical Convergence Textile Center am Gyeongbuk TechnoPark
Ja, wir bauen unsere internationalen Kooperationen im Bereich Food-Tech gezielt aus und haben bereits mehrere strategische Partnerschaften etabliert.
Südkorea arbeitet zum Beispiel eng mit dem Good Food Institute (GFI) zusammen – einer weltweit anerkannten Non-Profit-Organisation, die sich für die Entwicklung und Vermarktung alternativer Proteine einsetzt. Wir sind Mitglied im Beobachternetzwerk des GFI und haben feste Austauschkanäle für technische Zusammenarbeit eingerichtet. Derzeit prüfen wir auch die Gründung einer koreanischen GFI-Niederlassung, um die Kooperation weiter zu intensivieren.
Zudem stehen wir im kontinuierlichen Dialog mit der Regierung von Singapur, um gemeinsame Standards und regulatorische Rahmenbedingungen für kultivierte Lebensmittel zu entwickeln. Mit der Asia-Pacific Society for Cellular Agriculture (APAC-SCA), ebenfalls mit Sitz in Singapur, haben wir eine Absichtserklärung über eine länderübergreifende Zusammenarbeit unterzeichnet.
Darüber hinaus befinden sich mehrere internationale Forschungsinitiativen in Planung – mit dem Ziel, durch nachhaltige Innovationen im Lebensmittelsektor konkrete Beiträge zur Bewältigung globaler Herausforderungen wie der Klimakrise und der Ernährungssicherheit zu leisten.
8. Wie wird kultiviertes Fleisch heute von der Öffentlichkeit in Korea wahrgenommen – und welche Rolle spielt Aufklärung bei der Förderung der Akzeptanz?
Die öffentliche Wahrnehmung von kultiviertem Fleisch in Korea ist derzeit von einer Mischung aus Neugier und Skepsis geprägt – insbesondere mit Blick auf die Produktsicherheit. Wir setzen daher auf einen behutsamen, transparenten und wissenschaftlich fundierten Dialog mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Neben der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Produkte spielt die gezielte Kommunikation sowohl über Sicherheitsaspekte als auch über gesundheitliche Vorteile eine zentrale Rolle. Kultiviertes Fleisch bietet spezifische ernährungsphysiologische Vorteile – etwa für ältere Menschen, chronisch Erkrankte oder Menschen mit Lebensmittelallergien, die sich besonders selektiv ernähren müssen.
Derzeit laufen in Korea umfassende Studien zur Produktsicherheit, darunter toxikologische und allergenbezogene Untersuchungen. Die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend. Wir sind überzeugt: Ein wissenschaftlich fundierter Ansatz, der schon frühzeitig über die gesundheitlichen Potenziale informiert, ist entscheidend, um das Vertrauen der – zu Recht – anspruchsvollen koreanischen Konsument:innen zu gewinnen und eine belastbare Marktakzeptanz aufzubauen.
9. Wie ist der aktuelle Stand der behördlichen Zulassung von kultiviertem Fleisch in Südkorea – und wann erwarten Sie, dass das erste Produkt auf den Markt kommt?
Südkorea strebt einen zeitlichen Horizont von maximal drei Jahren für die Vermarktungsmöglichkeit der ersten kultivierten Lebensmittel an. Um dies zu gewährleisten, wird derzeit intensiv an der Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens sowie an einer leistungsfähigen technologischen Infrastruktur gearbeitet.
Auch wenn sich ein konkreter Zeitpunkt für die erste Marktzulassung derzeit nur schwer benennen lässt, lässt sich in dieser Hinsicht – insbesondere in den letzten drei Jahren – weltweit eine doch deutlich zunehmende Dynamik feststellen.
Parallel dazu sehen wir rasche Fortschritte – bei der technologischen Reife der koreanischen Unternehmen, der ressortübergreifenden Koordination der zuständigen Ministerien in Fragen der Regulierung und in der sicherheitsbezogenen Forschung – insbesondere was Fragen der Toxikologie und Allergenizität betrifft. Ein besonderer Fokus liegt aktuell auf der Ausgestaltung eines gleichermaßen transparenten wie praxisnahen Validierungsverfahrens, das sowohl die behördlichen Entscheidungsprozesse im Rahmen der Zulassungsprüfung als auch die marktorientierte Produktentwicklung wirksam unterstützt.
10. Welche Rolle wird Südkorea im Bereich der alternativen Proteinproduktion auf globaler Ebene spielen?

Südkorea wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine zentrale Rolle bei der Definition globaler Sicherheitsstandards für kultiviertes Fleisch einnehmen.
Im Gegensatz zu Ländern wie den USA arbeitet das koreanische Lebensmittelsicherheitsrecht mit einer sogenannten Positivliste – ein klares Zeichen für den hohen Stellenwert, den öffentliches Vertrauen und präventives Risikomanagement in Korea genießen. Nur zuvor offiziell zugelassene Inhaltsstoffe dürfen in kultivierten Lebensmitteln verwendet werden, was für regulatorische Klarheit und hohe Sicherheitsstandards sorgt.
Parallel dazu verzeichnet Korea schnelle Fortschritte bei der Technologieentwicklung, der Ausarbeitung der regulatorischen Rahmenbedingungen und der industriepolitischen Unterstützung. Besonders hervorzuheben sind mehrere koreanische Studien zur Lebensmittelsicherheit, die in dieser Form weltweit erstmalig durchgeführt und publiziert wurden – darunter Untersuchungen zur Toxizität bei einmaligem und wiederholtem Verzehr, zur Genotoxizität, zur Allergenizität sowie zum maximal tolerierbaren Verzehr.
Wir gehen davon aus, dass diese Ergebnisse maßgeblich zur Etablierung künftiger internationaler Standards beitragen und das globale Vertrauen in kultiviertes Fleisch nachhaltig stärken werden.
11. Sehen Sie Südkorea auf dem Weg zur asiatischen Drehscheibe für Lebensmittelinnovationen?
Wir sind überzeugt, dass Südkorea das Potenzial hat, sich zu einem globalen Knotenpunkt für Lebensmittelinnovationen zu entwickeln. Dies zum einen aufgrund seiner technologischen und sicherheitstechnischen Kompetenz, nicht zuletzt aber auch aufgrund der internationalen Reputation von K-Food.
Bislang war die Entwicklung kultivierter Lebensmittel stark technologiegetrieben. Doch wie in allen Bereichen der Lebensmittelindustrie wird letztlich die breite Akzeptanz durch die Verbraucher:innen entscheidend sein.
Hier bringt Korea einen besonderen Vorteil mit: Die koreanische Küche ist tief in der kulturellen Identität des Landes verwurzelt – und sie erfreut sich international wachsender Beliebtheit. Dieser kulturelle Rückhalt verleiht koreanischen Innovationen im Food-Sektor zusätzliche Glaubwürdigkeit.
Mit dieser einzigartigen Kombination aus kulturell-kulinarischer Strahlkraft, technologischer Exzellenz und hoher Sicherheitskompetenz ist Südkorea hervorragend positioniert, international eine Vorreiterrolle bei Entwicklung, Vermarktung und gesellschaftlicher Integration kultivierter Lebensmittel zu übernehmen.
Vielen Dank für das Gespräch!